Ort: Bus nach Sao Paulo
Zeit: 03.12. 08:36 Uhr, also viel zu früh
Wetter: sonnig und schon jetzt zu warm, im Bus läuft die Klimaanlage aber auf Hochtouren, sodass ich hier mit Pulli sitze
Die Nacht war mal wieder viel zu kurz. Ich hab hier in Brasilien noch keine Nacht durchschlafen können, entweder weil mich die Mückenbiester auf Trab halten (z. B. in dem sie über meinem Kopf kreisen “ssss, ssss”) oder wegen der Hitze, oder weil irgendwer meint Krach machen zu müssen, oder weil ich die vielen Eindrücke verarbeiten muss. Ich hoffe, das bessert sich bald mal, denn ein wenig Schlaf tut dem Körper doch ganz gut ;). Dabei hatte ich in Paraty beste Voraussetzungen für einen erholsamen Schlaf (und ich hatte auch in der Tat besser geschlafen), denn ich hatte zum ersten Mal eine bequeme Matratze, die nicht schon völlig durchgelegen ist (mit einer Kuhle in der Mitte) und somit Rückenschmerzen verursacht. Ich hatte sogar ein Doppelbett, was in Mehrbettzimmern eigentlich überhaupt nicht üblich ist. Normalerweise hat man Stockbetten (2- oder sogar 3-stöckig) mit niedriger Decke, so dass man wenn man nicht oben liegt nicht aufrecht sitzen kann. Eine Leiter ist bei den zweistöckigen Betten auch nicht selbstverständlich. Ein Doppelbett nur für mich alleine war also schon ein verdammter Luxus :).
Das Hostel selbst war auch super. Heißt Casa do Rio oder auch Paraty Hostel und gehört dem Internationalen Jugendherbergsverein an. Ist direkt am Fluss gelegen (wie der Name schon verrät, mein Zimmer war sogar ebenfalls direkt am Fluss), aber auch sehr zentral, nur 3 min bis zum Busbahnhof (hab vorhin extra auf die Uhr geschaut ;)), hat einen großen Pool, einen superschönen Garten, wo man auch direkt frühstückt (endlich gabs mal nicht nur Käse und Schinken, sondern auch verschiedene Sorten Marmelade!) und die Abende verbringt (mit Caipi for free :D) und nette Hostelmitarbeiter. Zwei davon haben mir auch ein wenig Portugiesischunterricht gegeben. Mal schauen obs geholfen hat :D. Aber das, was ein Hostel ausmacht, sind die Gäste und die waren ebenfalls fantastisch. Das Zimmer teilte ich mir mit 2 Schwedinnen (nein, nicht die von der Ilha Grande), außerdem war da noch ein Niederländer, ein Kanadier, ein Italiener, eine Französin und ein Deutscher. Der Italiener ist Koch und zauberte jeden Abend für etwa 10 Real ein leckeres Essen. An den Kochservice gewöhne ich mich langsam :D.
Paraty (auch Parati gschrieben) ist ein kleines, beschauliches Städtchen an der Costa Verde, angeblich so groß wie Saalfeld, aber das kann ich nicht ganz glauben. Es verkehrt innerorts nicht mal ein Bus weil alles so nah beieinander liegt, nur außerorts zu den größeren Städten oder umliegenden Dörfern/Stränden. Das besondere an Paraty ist das historische Zentrum. Alte, weiße Kolonialbauten aus dem 17. Jahrhundert, wo sich Restaurants, Kunstgalerien und Souvenierläden (mit teils hübschem Kunsthandwerk) angesiedelt haben. Bis vor ein paar Jahren wurde auch direkt in den Gassen allerhand Kunst verkauft, bis dies verboten wurde.
Bis 1954 konnte Paraty nur auf dem Seeweg erreicht werden. Seit etwa dieser Zeit wurde die Altstadt auch unter Denkmalschutz gestellt und so darf dort kein Auto verkehren, nur Pferdekutschen, was dem Ganzen nochmal einen historischen Touch verleiht.
Hier ein Auszug aus brasilien.de:
Die Lage des Städtchens mit seinen 30.000 Einwohnern ist traumhaft schön: Fjordartige Buchten mit weissen Stränden und eine Handvoll, der Küste unmittelbar vorgelagerte Urwaldinselchen, bilden das Panorama. Dahinter erhebt sich die Bergkette der Serra da Bocaina. Sie gehört zum Ökosystem der Mata Atlântica und ist sehr artenreich. Unzählige Orchideen-, Bromelien-, Heliconien- und vor allem Baumarten finden sich hier. Von seiner Tierwelt kann man besonders die Vielfalt der Vögel bewundern; Tapire und sogar Raubkatzen kommen noch natürlich vor. Das gesamte Territorium der Gemeinde Parati ist Naturschutzgebiet, zwei Drittel davon gehören zum Nationalpark Serra da Bocaina.
Die Gegend um Paraty ist echt schön und noch sehr ursprünglich. Da stehen Pferde mitten in der Landschaft, die Straßen sind nicht immer geteert, Hunde laufen frei auf der Straße herum (und haben dennoch Besitzer), die Zeit scheint einfach still zu stehen. Es gibt viele hübsche kleine Wasserfälle (ein paar besichtige ich auch, was wieder ein wenig Kletterarbeit erfordert), viel Grün und natürlich jede Menge Strände. Zum einen an den vorgelagerten Inseln, zum anderen ein paar Kilometer um Paraty herum. Paraty selbst hat zwar auch einen Strand, der ist aber nicht ganz so hübsch. Dafür hat er viele Muscheln. Am beliebtesten sind die Strände in Trindade, vor allem bei Surfern. Das bedeutete für mich eine 45-minütige Busfahrt in so einem hübschen Omnibus. Mit dem Auto wahrscheinlich in 20 min zu schaffen, aber wir halten wieder an jeder Milchkanne und schleichen über gefühlte 100 Schikanen (die zur Verkehrsberuhigung dienen sollen). Interessant fand ich wie die Post hier funktioniert. In Paraty stand ein Mann am Straßenrand, winkte den Bus heran, reichte eine Taschenlampe herein, murmelte kurz etwas (wahrscheinlich den Bestimmungsort) und kurz vor Trindade stand wieder ein Mann am Straßenrand, der Busfahrer reichte noch halb im Fahren die Taschenlampe hinaus und brauste davon. Und irgendwie wirkte es völlig normal, obwohl sowas in Deutschland nicht so wirklich vorstellbar ist.
Trindade beach from Doreen on Vimeo.
Die Gegend ist auch bekannt für den Cachaça (gesprochen: Ka-tschassa), dem Hauptbestandteil des allseits beliebten Caipirinha. Hier gibt es einige Destillerien und zwei davon hab ich mir mit Paolo, einem Hostelmitarbeiter auch angeschaut (und sparte mir somit 45 Real für die Jeeptour :)). Die erste war eine ganz kleine, wo der Cachaça noch per Hand mit einem Schlauch in die Flaschen gefüllt wird. Den Namen hab ich leider schon wieder vergessen, aber es war irgendwas mit B ;). Die zweite schon etwas größer, aber trotzdem noch traditionell und klein, versteckt in einem Hinterhof. Mir wird gezeigt wie der Zuckerrohrschnaps hergestellt wird (um mir die Abhandlung zu sparen lest einfach mal bei Wikipedia nach ;)) und natürlich darf man auch probieren. 40 – 45 Promille auf nüchternem Magen, das haut rein. Aber sehr lecker. Ich verkoste nicht den puren Cachaça (wobei da nochmal unterschieden wird in welchem Fass der Cachaça heranreift, ob Eiche oder ein brasilianisches Holz, und natürlich wie lange, also ganz ähnlich wie bei Wein oder Sherry), sondern den mit anderen Zutaten gemixten. Z. B. mit Honig oder mit Zimt. Am besten hat mir der Gabriela geschmeckt. Es werden auch Liköre aus dem Saft gewonnen. Sehr lecker. Hierzulande kennt man den Cachaça ja hauptsächlich von Caipirinha. In Brasilien wird das Zeug aber auch pur als Schnaps getrunken. Und dann eben gern mit anderem Aroma.
Die größere Destillerie, die ich besuche gehört sogar zu den besten des Landes. Es gibt nur 5 mit Gütesiegel, die für die Qualität besticht und die Engenho d’ Ouro (letztere Destillerie) trägt eines.
Nun sitz ich für 6 Stunden im Bus nach Sao Paulo, der Stadt, wo ich niemals hin wollte. Aber die Straßenführung ist leider so, dass ich nicht drum herum komme und der Weg nach Curitiba ist so lang und die Fahrzeiten der Busse sind so doof, dass ich auf jeden Fall eine Nacht dort verbringen muss. Aber vielleicht gefällt mir die Stadt ja auch. Eigentlich wollte ich wieder auf eine Insel (hier an der Küste zwischen Angra Dos Reis und Paraty gibt’s 365 Inseln …), die Ilhabela (zu deutsch schöne Insel), aber ich hab jetzt an jedem Ort deutlich länger verbracht als ursprünglich angedacht und so läuft mir ein wenig die Zeit davon. Außerdem war kein günstiges Hostel zu finden und es wäre ein kleiner Umweg gewesen.
Aber etwas weiter südlich gibt’s wieder eine schöne Insel, die Ilha do Mel :). Vielleicht steuer ich die mal an.
Bis dahin stehen noch ein paar hübsche Busfahrten an. Und eine Zugfahrt, da freu ich mich schon richtig drauf. Denn Busfahren ist bisher noch recht anstrengend. Die Strecke hier ist sehr kurvig bzw. die Fahrweise sehr schaukelig, ich kann (abgesehen vom Beginn des Berichts) nur in den zahlreichen Pausen schreiben, weil man so durchgeschüttelt und ständig hin und her “geschleudert” wird (wenn auch sanfter als im Omnibus) und befindet sich fast permanent in Kipplage. Schlafen kann ich so nicht und Lesen oder Schreiben mag mein Magen erst recht nicht. So freue ich mich auf die patagonischen Straßen. Die sollen vor allem eins sein: lang und gerade, juchhei. Ich hoffe die Busse haben eine ruhigere Federung dort ;). Und nun bin ich gespannt auf den größten Busterminal Brasiliens, bzw. sogar zweitgrößten Terminal der Welt. Von Sao Paulo aus kann man in jede Region Brasiliens fahren. Wenn man den Fahrplan hier anschaut kann man sich ungefähr vorstellen, wie groß der Bahnhof dort sein muss.
Trindade beach from Doreen on Vimeo.
Die komplette Fotogalerie nun hier für Paraty, und da für Trindade.
surrende Mücken sind ein Albtraum und wenn es da so viele gibt, muss ja echt Horror sein. Bin gespannt auf weitere Berichte und Fotos 🙂
oh ja, heut nacht zwischen 3 und 4:30 hat es wieder eine auf mich abgesehn. sssssssssss sssssssss. das macht einen wahnsinnig. und sie war leider auch ziemlich erfolgreich. grr.